Ein ganzes Leben – wenn Eltern und Großeltern alt werden

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Als ich damals auf die Idee kam, mit einer Firma zu kooperieren, die einen Rollator herstellt, hatte ich Titel im Kopf wie: „Meine Oma fährt im Hühnerstall Rollator„, „Rolling Oma“ oder „Roll On Omi„. Irgendwas blödes eben, etwas, dass das Thema auflockert und gleichzeitig zeigt, wie sehr sich der Rollator von byAcre von den anderen unterscheidet. Er ist leicht, sieht aus wie ein Ferrari und es ist tatsächlich so: meine Oma wird ständig auf ihren heißen Schlitten angesprochen. Wenn sie es bis zu Hause nicht schon vergessen hat, erzählt sie es mir auch. Der Rollator ist so schick, dass er auch und besonders für jüngere Menschen funktioniert, die z.B. durch einen Unfall auf ein solches Hilfmittel angewiesen sind.

Aber dann habe ich vor ein paar Wochen eine Art Überraschungsbesuch bei meiner Oma und meinem Vater – die beide in Nürnberg leben – abgestattet. Weil meine Oma wegen eines Steuerbescheids anrief, den sie nicht lesen oder verstanden hatte. Und weil ich ja wegen des Rollators von byAcre sowieso für ein paar Fotos vorbeikommen wollte. Und danach ist mir der spaßige Titel vergangen. Ich habe die vier intensivsten Wochen hinter mir, die ich mir vorstellen konnte, weil manchmal eben doch alles schlimmer kommt, als man es sich vorstellen will.

Meine Oma rollt und rollt

Meine Oma ist 88. Meine Oma ist Tochter eines Pferdezüchters und mit ihren Eltern und einer Schwester in Losan groß geworden. Losan gehört heute zur Tschechei und meine Oma musste mit ihrer Familie 1946 Hab und Gut zurücklassen und gehen. Da war sie 14. Meine Oma hat viel zu erzählen, über die Vertreibung (Entschuldigung „Aussiedlung„) und das Leben vorher, während des Kriegs. Das sie Dresden hat brennen sehen. Das ihr Vater vor ihren Augen fast erschossen worden wäre, weil er sich von den Pferden verabschieden wollte. Das sie im letzten Kriegsjahr die Ernte selbst einfahren musste, weil niemand mehr da war und dass ihr Vater die wertvollsten Schmuckstücke mit Wachs in die Schuhe eingegossen hat.

Sie landete mit ihrer Familie im Osten, der damals noch nicht so recht der Osten war sondern russische Besatzungszone und floh mit 16 dann allein durch den Wald über die Grenze zu Verwandten nach Bayern. Es gab noch keine DDR, aber die Besatzungszone durfte sie eigentlich trotzdem nicht verlassen. Ihre ältere Schwester kam später nach – sie galt später als Republikflüchtling und ihre Eltern mussten offiziell den Kontakt zu ihr abbrechen.

Meine Oma schlug sich als Kindermädchen durch, bis sie meinen Opa kennen und lieben lernte und lebte dann viele Jahre mit ihren Schwiegereltern unter einem Dach. Eigentlich krass – könnte man sich heute nicht mehr so recht vorstellen. Und auch von meiner Oma weiß ich, dass es sie manchmal hart an ihre Grenzen gebracht hat. Aber damals ist man halt nicht einfach gegangen oder hat die Eltern aus dem Haus geschmissen. Man kniff die Arschbacken zusammen und zog durch. Mehr als 50 Jahre war sie mit meinem Opa zusammen bis er starb.

Meine Oma kneift die Arschbacken zusammen und zieht durch

Und was soll ich sagen: das mit den zusammengekniffenen Arschbacken ist so geblieben. Bis heute. Denn meine Oma hat noch immer keinen verdienten Lebensabend, den sie mit ihrem Rollator genießen könnte, nein, meine Oma pflegt einen Pflegefall. Meinen Vater.

Der hatte vor vier Jahren einen Unfall und kommt seither im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr auf die Beine. Das versucht meine Oma aufzufangen. Seit vier Jahren. So ziemlich unentdeckt vom Umfeld, weil sie sehr gut verschleiern kann.

Immerhin: sie ist viel unterwegs und sehr happy mit dem leichtesten Rollator der Welt aus Karbon von byAcre, denn damit kommt sie auch gut in den Bus und wieder raus – sie hat nämlich dann mit 88 entschieden, ihr Auto abzugeben… Und durch das auffällige Gefährt in rot ist es tatsächlich so, dass es mehrere Menschen gibt, die ein bißchen nach ihr gucken und dann auch mal helfen, wenn es nötig ist. Einfach, weil Form und Farbe sehr auffällig sind. Man muss ja immer das Beste in miesen Situationen sehen – da ist meine Oma Königin drin!

Das Ende ist offen

Inzwischen habe ich für beide (meine Oma und meinen Vater) eine Pflegestufe beantragt. Meine Oma hat allein in den letzten sechs Monaten so sehr abgebaut, dass sie während eines fünfminütigen Telefonats auch fünfmal fragt, ob es uns allen auch gut geht. Sie erzählt, wie müde sie sei, dass es aber halt nicht anders geht. Keiner der Beiden war in der Lage, den Alltag allein zu meistern. Post wurde nicht geöffnet oder nicht verstanden oder ignoriert, Dinge nicht erledigt, nun ja – Vogel-Strauss-Prinzip eben.

Alles in allem: die Situation ist insgesamt sehr toxisch und bis vor kurzem hat meine Oma gemacht, was sie eben immer gemacht hat: Arschbacken zusammengekniffen und durchgezogen und auf keinen Fall um Hilfe fragen.

Als ich in die Situation eingestiegen bin, habe ich erstmal Brände gelöscht und bin implodiert. Und jetzt versuche ich für meine Oma zumindest organisatorisch die Arschbacken zusammenzukneifen. Ich kümmere mich um den Rest, in der Hoffnung, die beiden so schnell wie möglich etwas voneinander loszueisen – denn das wünschen sich Beide ja irgendwie, aber die Mühlen mahlen manchmal ganz schön langsam und es gibt auch Gegenwind von Oma und Papa, weil sich beide irgendwie nicht mehr so recht merken, was sie wem wann erzählen. Ich muss mir das also irgendwie selbst zusammendichten.

Da stehen auf einmal Dinge an wie Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen, Versicherungen, Pflegedienste und andere Dinge, an die man eigentlich nicht denken will, wenn man „so jung“ ist. Und aus heutiger Sicht kann ich euch allen nur raten: erledigt sowas, wenn ihr jung und voll bei Sinnen seid. Denn sonst wird das sehr, sehr schwer und kräftezehrend (welcher Tag ist heute?). Lieber jetzt als später, denn dann stehen die Aussichten gut, dass ihr später einfach nur mit eurem Rollator aus federleichtem Karbon zu Rewe und zurück rollt und wisst: ich habe alles schon erledigt, außer Milch!

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