In Berlin (auch in Hamburg und MeckPomm) sind die Schulferien so gut wie vorbei, während Bayern und Bawü gerade erst starten. Für meine Tochter heißt das eigentlich, dass nach den Ferien der Regelbetrieb beginnt. Sie hat keine Lust. Nicht auf Schule, sondern auf den Unterricht IN der Schule. Das merke ich daran, dass sie mich regelmäßig darüber informiert, dass sie immer noch keine Nachricht von der Schule hätte, wie es denn nun nach den Ferien konkret weitergehe.
Nur um das klarzustellen, meine Tochter hat niemanden gefragt, die Schule ist ganz gut vernetzt und mein Kind zudem in einer Medienklasse. Mit Informatikunterricht (nun ja), einem eigenen Laptop und jeder Menge Online-Meetings im letzten Halbjahr. Auch etwas, was sie gern mag. Denn wenn der Bus zur oder von der Schule zu voll ist, steigt sie lieber aus und läuft. Das hat die Krise also aus meinem Kind gemacht. Mal abgesehen vom Medienzombie (aber nix für ungut, wen überrascht denn bitte das Ergebnis?).
Wie gut sind die Schulen vorbereitet?
Laut einer Umfrage von Bild am Sonntag (findet ihr im Readly (Probe-)Abo) sind 76 % der Menschen in Deutschland dafür, dass die Kids nach den Ferien wieder regulär zur Schule gehen. Nur noch 49 % denken, dass die Schulen gut gerüstet sind. Auch Ärzte sind dafür, dass Kinder wieder die Schule besuchen, aber es ist eben, wie es ist:
„Alle bisherigen Konzepte können nicht davon ablenken, dass die Schulen weder auf den Normalbetrieb noch auf den Fernunterricht gut vorbereitet sind.“ Heinz-Peter Meidinger (Präsident des Deutschen Lehrerverbandes) gegenüber der „Bild am Sonntag“.
Mit dieser Einschätzung steht er nicht alleine. Wenn man sich thematisch einliest, finden die immer selben Wortfetzen in Artikeln statt: nicht zu Ende gedacht. Nicht vorbereitet. Wenig praktikabel. Keinen Plan B. Und Föderalismus sei Dank macht jeder was er will.
Für einzelne Bundesländer sind – finde ich – teilweise sogar gute Ideen dabei. Würde man einfach die besten aus allen Ländern zusammenfassen und sie mit den nötigsten ergänzen, mein Gott, wir wären so viel weiter als mit diesem Jeder für sich Gedöns! Und vielleicht auch ein wenig digitaler…
So eine Scheiße.
Bildungsgewerkschaften befürchten sowieso einen Lehrerausfall, zumindest was den Präsenzunterricht angeht, denn geschätzte 20 % gehören zur Risikogruppe.
Dann wäre da noch: in Berlin ist die Infektionsrate gerade wieder gestiegen, der R-Wert liegt bei 1,4 (29.7.2020) und wer sich die Krankheit einmal einfängt um im Zweifel die Arschkarte zieht und etwas davon merkt: wer bei einem schweren Verlauf der Krankheit am Beatmungsgerät hängt hat eine Fifty-Fifty Überlebenschance. Nicht 80/20 oder 90/10….50 zu 50. Das ist wie knobeln! Jeder Fünfte stirbt. Und wenn es ein eher milder Verlauf wird, heißt das trotzdem nicht, das nachher sofort wieder alles heititei ist, sondern sich die Nachwirkungen über Monate ziehen. Der Kelch möge also bitte sehr gern an mir vorübergehen.
Schule? „Des hamma scho imma so gmacht“
Was mich persönlich so sehr an der aktuellen Situation ärgert, ist, dass Politik und Schulen (gezwungenermaßen) einfach stumpf weitermachen wie VOR Corona. Es gibt offenbar NULL Entwicklung. Digitalisierung? Neee, mach ich nicht. Ideen einbringen? Umdenken und den Unterricht anpassen/verändern? Zu kompliziert. Allein im Netz gibt es so viele Vorschläge von Experten (also so richtigen, nicht nur so Deppen, die laut rumbrüllen), wie sich das System auch kurzfristig verändern ließe. (Vielleicht erinnert ihr euch auch an den #wirfürschule Hackathon)
KEINE FUCKING FIRMA hätte diesen Lockdown überlebt, wenn sie so lahmarschig wie Schulen reagieren würden! Da wurde zum Teil von jetzt auf gleich auf digitales Homeoffice umgeschaltet (also nicht zuhause bleiben – es sei denn du arbeitest als Beamter im Rathaus), auf Hybrid-Arbeit und ähnliches. Nur die Schule. Da ist es ja schon abhängig davon, in welcher Klasse du gelandet bist. Denn was in Klasse 7A funktioniert, läuft in Klasse 7B aufgrund lustloser Lehrer im Zweifel nicht so gut. Und selbst in der Medienklasse meiner Tochter haben die Lehrer bis nach den Osterferien gebraucht, um überhaupt auf digital umzusteigen).
Stattdessen wird den Eltern neben dem Vollzeitjob abverlangt, doch bitte auch kurz mal in die Rolle des Lehrers zu schlüpfen. Schlechter kann man auf unvorhersehbare Situationen echt nicht vorbereitet sein (und ich meine damit nicht die Lehrer, die – zumindest die wenigen jungen Lehrer – haben im Zweifel ja selbst Kinder daheim)!
Wie soll das denn dann weitergehen, wenn es beispielsweise zu regionalen Schließungen kommt? Von heute auf morgen müssen zum einen die Kinder gucken, wo sie bleiben und sich ständig mit neuen Situationen anfreunden, zum anderen – und das natürlich im Zweifel altersabhängig – die Eltern (jaja, meistens halt die Mütter) wieder frei nehmen
Digitalpakt my Ass
Das Schulministerium (mit Bildungsministerin Anja Karliczek) stellt mit dem Digitalpakt fünf Milliarden Euro für Schulen bereit. Diese Fördermittel sollen die digitale Infrastruktur an Schulen verbessern. Bewilligt wurden bisher lediglich 450 Millionen. Bevor das Geld der Schule freigegeben wird, muss die Schule selbständig (!) ein Medienkonzept vorlegen. Ich sag mal so: wer sich privat also nicht so mit dem Internetzeugs und Computern auskennt, der müsste also theoretisch jemanden dafür bezahlen, dass so ein Konzept erstellt wird – oder wie genau soll das laufen? Ein Digitalschuss ins Blaue? (Und ja, ich weiß, dass die Konzepte inzwischen nachgeliefert werden dürfen. Aber was beantrage ich denn dann ohne Konzept? Wlan bitte? Und ähm, öhm, ja was denn noch? Oder denke ich zu kompliziert?)
Und als kleine Nebensache: Erst JETZT fördert der Bund auch die digitale Lehrerausbildung an Hochschulen. Wir haben 2020 und die Kids schon längst ans Internet verloren, was ja für viele Eltern dann oftmals bedeutet: Oh mein Gott, kennt ihr Katja Krasavice und mal good old Mama-instagram in helle Aufregung versetzen…gähn.
Bildungspolitiker – Sommerferien nutzen – wie jetzt?
Haben die Verantwortlichen in der Bildungspolitik die Situation genutzt, sich ein paar Ideen und Veränderungen für das kommende Schuljahr einfallen lassen, dass in vielen Augen durchaus weiterhin eher hybrid (also in der Schule und daheim) werden wird? Sieht schlecht aus für unsere Schulen in diesem Jahr, zumindest ist das mein erster Eindruck. Und sicher wird es einige Schulen geben, die sich was einfallen lassen aber ich glaube – und da bin ich nicht alleine, dass es an vielen Schulen nach den Sommerferien einfach so weitergeht wie immer und im Notfall müssen dann eben wieder die Familien selber schauen wo sie bleiben.
Aber alle wollen, dass die Kinder wieder in die Schule gehen – es erscheint mir: Hauptsache verräumt. Dabei steht es halt immer noch sehr schlecht um die digitale Bildung in Deutschland („gutes Mittelmaß“ findet übrigens Anja Karliczek.), das zeigt auch die repräsentative Studie des Vereins Digitale Bildung für Alle und Civey. 60 Prozent der befragten Personen mit Kindern im Haushalt sind mit dem digitalen Bildungsangebot unzufrieden. Überraschung.
Und jetzt?
Jetzt warte ich – wie meine Tochter und viele andere Kinder und Eltern – auf den ersten Schultag. Auf eine Ansage, wie es weitergehen wird. Keiner mit dem ich gesprochen habe, glaubt irgendwie an einen stinknormalen Regelbetrieb…Wie werden Lehrer und Schüler miteinander verfahren. Was passiert, wenn alles schief läuft. Kommt dann ein zweiter Lockdown?
Aber wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt und wir halten uns einfach Augen und Ohren zu. Wird schon schiefgehen.
Bleibt gesund!