Ich bin seit acht Jahren selbständig und ich muss bis heute sagen: Es war die beste Entscheidung meines Lebens, mir damals den Gründerzuschuss beantragt zu haben und mein eigenes, kleines Unternehmen im Bereich Fotografie, Text und Design zu gründen. Und ich finde, viel mehr Eltern sollten gründen, denn ich glaube, die Chancen, Beruf und Familie unter einen Hut zu kriegen, stehen so besser. Schlicht, weil ich mir in meinem eigenen Unternemen meine Zeit selbst einteilen kann. So, wie es eben gerade passt. Und wenn alles gut geht, dann bin ich unabhängig. Und wenn nicht, nun ja, dann habe ich immerhin durch mein Scheitern auch was gelernt.
Ich war vor einiger Zeit zum zweiten Luxury Family Brand Event in Portugal eingeladen. Im Martinhal Family Hotel Cascais trafen hier jede Menge gründende Persönlichkeiten aufeinander. Alles Eltern. Alles Gründer. Auch die Besitzerin des Martinhal Family Hotels ist Mutter und Gründerin. Okay, ich werde mir in den nächsten Jahren kein Hotel leisten können und eventuell wird es auch ein bisschen schwierig mit einem eigenen Designlabel oder anderen abgehobenen Ideen. Aber eine Idee drückt bei mir seit Jahren und dieses Event – und inzwischen jede Menge positives Feedback – hat mich dazu ermuntert, mein eigenes Projekt jetzt anzugehen.
Warum mehr Eltern gründen sollten
Die Gründer, die sich auf dem Event vorgestellt haben, wurden wunderbar schon von Hauptstadtmutti zusammengefasst, da muss ich eigentlich gar nichts weiter schreiben – bitte lest einfach die Zusammenfassung von Elina drüben bei Hauptstadtmutti.
Meine Gründe für eine Unternehmensgründung – egal in welcher Größe – sind eigentlich recht einfach. Zum einen hat mir mein damaliger Job keinen Spaß mehr gemacht und ich war in einem festen Arbeitszeitmodell gefangen und diese unsägliche Anwesenheitspflicht hat mir an manchen Tagen zu schaffen gemacht. Ich habe die Gelegenheit der Elternzeit genutzt, aufgehört und erste Schritte als Selbständige gemacht, allerdings immer mit dem Wissen: Ich habe noch einen zweiten, festen Job.
Das Unternehmen, in dem ich danach als Grafiker angestellt war, war komplett fokussiert auf Kinder. Die Gründerin selbst hatte schon zwei Kinder, das Dritte war unterwegs. Die Arbeitszeitmodelle waren familienfreundlicher, aber nicht perfekt, denn zweimal im Jahr zu den Hochzeiten habe ich – trotz Kind – sogar am Wochenende gearbeitet, damit alles rechtzeitig fertig wird. Oft auch allein, weil alle anderen ja im Urlaub waren. Für den Arbeitgeber also war ich super flexibel, für meine Familie der wohl unflexibelste Mensch der Welt. Und wenn eine der Mitarbeiterinnen sagte, sie sei schwanger, dann gab es Ärger, keine Freude. Puh.
Kita? Wir waren auf Kitas angewiesen, die früh aufmachten und spät schlossen. Es gab Zeiten, da war meine Tochter morgens die Erste und abends die Letzte, die abgeholt wurde. Noch schwieriger gestaltete sich dann alles nach der Trennung vom Vater. Da musste sich abgesprochen werden, wer wann zuständig ist und auf einmal wurde ich noch unflexibler – auch für Arbeitgeber. Ich wechselte den Job und war mit 29 die älteste in meinem Team – und die Einzige mit Kind. Morgens war ich die Erste im Büro, Mittagessen habe ich ausfallen lassen, um 17 Uhr musste ich in meiner „Kind-Woche“ den Stift fallen lassen. Ich arbeitete nicht weniger als die anderen, in der kindfreien Woche oft sogar mehr. Aber nach drei Monaten hatte ich trotzdem das erste Personalgespräch: Meine Teamleiterin könne das vor dem Team nicht länger gutheißen, dass ich „ständig früher gehen würde„. Ich war baff. Denn anwesend war ich nicht weniger als andere. Ich fing halt nicht erst um 10 oder 11 an zu arbeiten, sondern zwischen halb8 und 9, das sieht nur keiner, da schnarchen die halt noch und leider gilt wohl immer noch oft: Wer nicht gesehen wird, ist nicht da.
Für mich war da recht schnell klar: Ich will raus. Raus aus dem Korsett. Weg von unflexiblen und kinderunfreundlichen Arbeitgebern, die einem bei der Bewerbung aber was anderes vorsäuseln („Klar, alles cheesy, alles kein Problem, Kinder sind doch super.“). Weg vom Gefühl, dass entweder mein Kind oder ich zurückstecken muss, nur damit das eventuell was wird mit meiner Karriere. Also sprang ich. Ich hörte einfach auf, beantragte den Gründungszuschuss und machte meinen Nebenjob zum Hauptberuf.
Meine Gründe für’s gründen waren also:
– Unflexible Arbeitszeiten bei einer Festanstellung
– unflexible Arbeitgeber
– Anwesenheitpflicht (in meinem ursprünglichen Beruf waren wir auch alle eher Nachteulen und hatten kein Privatleben…man war einfach immer verfügbar, vor allem im Büro)
– schlechte Vereinbarkeit Familie/Beruf
– wenig bis keine Selbstbestimmung
– je nach Arbeitgeber: schlechtes Selbstwertgefühl
Und heute?Â
Heute arbeite ich mal mehr, mal weniger. Ich gönne mir Auszeiten. Ich habe eine Art „Wertschätzungszone“, das sind quasi die Ergebnisse meiner Arbeit, die ich sehen kann, Fotos, Kataloge, Magazine, Grafiken und klar, irgendwie gehört auch das Blog dazu. Es wird im September 11 Jahre alt und ist inzwischen mein Haupternährer.
Ich arbeite selbstbestimmt, auch Vollzeit (und manchmal deutlich mehr) übrigens und inzwischen kann ich auch einfach selbst entscheiden, was ich machen will/kann und was nicht. Und nach dieser langen Zeit habe ich auch einfach etwas, auf das ich zurückblicken kann und sagen kann: Alter, geil, das habe ich ganz allein geschafft.