Es ist schon einige Wochen her, da waren wir in der Zuspitz Region zu Gast. Das Wochenende stand für die kleine Chefin und mich ganz im Zeichen von „Viechereien“. Vom Besuch auf einem Landgestüt, über eine Lamawanderung bis zum Kennenlernen von vom Aussterben bedrohten Rindern war alles dabei, auch Ziegenkäse – und das in kürzester Zeit an einem der wohl schönsten Orte der Welt:Â in der Zugspitz Region. Und ja, hier ist Heimat ein Gefühl.
Haupt- und Landgestüt Schwaiganger
Das Gestüt Schwaiganger liegt im Werdenfelser Land und seit mehr als 1000 Jahren sind hier Pferde zu Hause. Sogar eine Herzogin hatte hier ihre Sommerresidenz, nach ihr ist heute noch der Biergarten benannt: Maria Anna. 1980 wurde Schwaiganger zum Haupt- und Landgestüt und ist seit 2004zusätzlich das Lehr-, Versuchs- und Fachzentrum für Pferdehaltung in Bayern – nur für den Fall, dass hier jemand mal was mit Pferden machen will, an dieser Adresse seit ihr richtig.
Was war ich Feuer und Flamme, als auf meiner Reise in die Zugspitz Region auch der Besuch eines Gestüts auf dem Programm stand. Dachte ich doch, tue ich meiner Tochter sicher auch einen Gefallen. Die hatte aber – wie sie vorher herumtönte – ihr Interesse an Pferden bereits verloren. Sobald wir das Gestüt betraten, breitete sich eine entspannte Ruhe aus. Hier drehte sich alles um die Tiere, dementsprechend ruhig und vor allem entspannt ging es hier zu. Nur meine Tochter schien ihre Liebe zu den Pferden auf der Stelle wieder entdeckt zu haben und rannte von einem Stall zum nächsten. Anfassen bitte, nein REITEN, jetzt sofort und geht das und können wir und….glücklicherweise war der Gestütsleiter Dr. Eberhard Senckenberg ein sehr entspannter Mann, hat er seinen Job auf dem Haupt- und Landgestüt Schwaiganger dann doch schon 26 Jahre inne.
Während wir über das Gestüt spazierten, erklärte er uns alles rund um die Zucht und die Veränderungen von früher zu heute. Und dann landeten wir wohl im Traum aller jungen Mädchen: Mitten auf einer Koppel voller Fohlen! Das Gestüt Schwaiganger ist eines von vier in Deutschland existierenden Hauptgestüten und eines der letzten zehn Landgestüte – unterscheidet sich aber von anderen Gestüten – entsprechend seiner Lage. Aufgrund der Tradition in der bayerischen Pferdezucht wird hier nicht nur das Warmblutpferd gezüchtet, sondern auch Haflinger und das süddeutsche Kaltblutpferd.
Eine Führung über das Gestüt dauert etwa eineinhalb Stunden. Gezeigt und erklärt wird alles rund um die Pferdezucht. Anmelden könnt ihr euch unter der Telefonnummer +49 8841 6136 0. Neben jeder Menge Stuten und Deckhengste sind auf dem Gestüt Schwaiganger auch eine Mutterkuhherde der Rasse Murnau-Werdenfelser als Genreserve sowie Mutterschafe der Rassen weißes und schwarzes Bergschaf, Steinschaf und Brillenschaf zur Erhaltung der vom Aussterben bedrohten Rassen zu Hause.
Vom Pferd aufs Lama – Lamatrekking in der Zugspitz Region
Auf Instagram und Facebook hatte ich es schon erwähnt, meine Tochter hat einen neuen Haustierwunsch – ein Lama bitte. Eine Herde wäre ihr wohl auch recht, aber das dürfen nur Jungs sein, wäre ein Mädel dazwischen, ginge das Geraufe zwischen den Lamakerlen los – und das ist nicht immer schmerzfrei für die Tiere. Das weiß auch Franz Ebert, der sich vor 10 Jahren eine ganze Lama-Kerl-Herde angeschafft hat und nun Interessierte mit den Tieren auf Wanderschaft schickt – natürlich ist er immer dabei.
Bevor es los geht, heißt es allerdings erst einmal beschnuppern. Also Bürste in die Hand, Lama auswählen und losbürsten, näher kommen, gegenseitig mal aneinander riechen. Und dann dürfen wir los, werden quasi in die freie Wildbahn entlassen und müssen dem Lama zeigen, dass wir genau wissen, wohin wir wollen und vor allem: wir laufen vor, Lama kommt nach.
Touren gibt es verschiedene, bei einer Schnuppertour z.B. führt der Weg über jede Menge Wiesen, sogar ein bisschen durch die Stadt und am Ende laufen die Lamas immer schneller – wenn sie merken, sie sind wieder zu Hause – Futterzeit. Auf ihrer Weide werden die Tiere übrigens ohne Geschirr gehalten, das ist dann quasi ihre Zeit und keiner hat ihnen da was zu sagen – sobald jedoch das Geschirr angelegt ist, heißt es: Jetzt wird gearbeitet.
Keines der Tiere spuckt übrigens, das hat Franz an sich sehr drastisch ausgedrückt: Ein Lama das Menschen anspuckt, gehört eigentlich zum Schlachter. Lamas wachsen die ersten 10 Monate im Idealfall komplett ohne einen Menschen auf und werden erst dann nach und nach an Menschen gewöhnt und erkennen ihn so auch als Respektperson an, die eben auch nicht angespuckt wird. Alles andere sei falsche Erziehung – ich musste ein bisschen grinsen, ist ja wie bei uns Menschen…
Wer in der Zugspitz Region verweilt und auch einmal ein Lama streicheln und führen will, der ist auf der Lamatrekking-Langkaspar Webseite sehr gut aufgehoben. Und der Franz ist der beste und entspannteste Lama-Führer, den ihr euch wünschen könnt.
Ein echtes Original – Das Murnau Werdenfelser Rind
Man möchte fast sagen, dass das Murnau Werdenfelser Rind ein bisschen Glück hat. Es ist nämlich vom Aussterben bedroht, hat aber inzwischen einige Liebhaber in der Zugspitz Region gefunden, die dieses Tier erhalten wollen. Und ich persönlich finde dieses Projekt wirklich erzählenswert, auch oder gerade an dieser Stelle.
Malerisch darf es aufwachsen, so malerisch, dass meine Tochter sagte: Mama, wirklich, es tut mir echt leid, aber wenn ich groß bin, dann verlasse ich Berlin und zieh hier her.
Ins Voralpenland, grün und saftig kommt es im Sommer daher, überall findet sich sanfte Hügellandschaft, die an einigen Stellen in die raue Bergwelt wechselt. Klar ist: Die blühenden Almwiesen lassen den Gedanken an Umzug gar nicht so abwegig erscheinen. Ob meine Tochter dann wohl Kühe züchtet – während ich die Gestütsleitung übernehme? ;)
Nur hier, in Oberammergau und dem Murnauer Moos lebt das Murnau Werdenfelser Rind. Eine Rasse, die sich durch hohe Vitalität und Anpassungsfähigkeit auszeichnet. Allerdings kleiner als ihre Artgenossen, nicht ganz so leistungsstark (was die Milch angeht), haben die Tiere nach und nach den Reiz für Bauern verloren, denn letztendlich geht es halt irgendwie ums Geld. Und wer mehr leistet, ist mehr wert.
Aber es dreht sich halt nicht alles um die Hochleistungskuh, denn das Murnau-Werdenfelser Rind ist eine robuste, alte Landrasse die einfach gut zur Moorlandschaft passt und sich auch an steilen Almwiesen zu Hause fühlt – und zur Zugspitz Region dazu gehört.
Die Milch der Kühe ergibt einen ziemlich schmackhaften Käse (irgendwas mit besonderen Proteinen), den wir vor Ort schon kosten durften – ebenso wie das Rind selbst – Das Kind hats verschlungen, sowohl den Käse als auch das Rind. Und damit das so bleiben kann werden auch weiterhin Projektbefürworter, bzw. Züchter gesucht, die den Bestand der Rinder in den nächsten Jahren vergrößern – und die Rasse damit erhalten.
Die Rinder sind übrigens Zucker – soweit man das von Rindern sagen kann, aber ich hab da halt ein Faible für. Wer die Rinder aus nächster Nähe sehen möchte, kann das übrigens im Freilichtmuseum Glentleiten tun. Dort ist es sogar möglich, den Tieren direkt auf der Weide ganz nahe zu kommen (es sei denn, sie haben Jungtiere bei sich und sprinten erst einmal davon, wenn da so eine neunjährige angerannt kommt).
Mehr über das Programm zum Erhalt der Murnau Werdenfelser Rinder findet ihr auf dieser Seite. Alles über das Rind, samt Bezugsquellen für Käse und Fleisch auf der offiziellen Seite des Murnau Werdenfelser Rinds.
Alles Käse – von der Ziege
Eine unserer letzten Stationen: Die Goasalm. Auf 1000 Meter Höhe leben hier 40 Ziegen, die von den Bauern Gabi und Adi Seiler seit 2005 gehalten werden. Im hauseigenen Hofladen wird Ziegenkäse in allen Varianten von mild bis „sehr, sehr ziegig“ verkauft – Wanderer können hier ausserdem wunderbar Brotzeitpausen einlegen. Die Alm liegt mitten zwischen den Buckelwiesen, lauter kleine Hügel, etwa 50 – 100cm hoch, die vor mehr als 2,5 Millionen Jahren entstanden und jetzt für lauter Buckelwiesen sorgen, die überall in der Gegend zu sehen sind und der Natur ein ganz besonderes Aussehen verleihen.
Die Goasalm liegt sehr idyllisch mitten in der Natur mit Blick auf das majestätische Karwendelgebirge. Wirklich ein idealer Ort für eine Brotzeit!
Die Ziegen springen den gesamten Sommer draussen herum und um die Käseproduktion kümmern sich Papa und Schwiegersohn. Wer von Haus aus Ziegenkäse skeptisch gegenüber steht, dem sei gesagt: es gibt auch einen wirklich ganz, ganz milden, der geht. Und auf jeden Fall unbedingt probieren – im Sommer: Das Ziegenmilcheis!
Mach mal Urlaub – aber tierisch
Alles in allem kann jeder auch an einem Wochenende in der Zugspitz Region jede Menge erleben – ganz besonders jede Menge Tierisches. Besonders im September ist die Region sehr belebt: Es ist Almabtriebzeit und die werden überall ordentlich gefeiert. Am 10. September 2016 treten die Mittenwalder Bergschafe ihre Heimreise von der Sommerweise an, die Kühe warten in Krün noch bis zum 16. September 2016, in Mittenwald wird das große Almabtriebfest am 18. September gefeiert.