Ich bin seit mehr als acht Jahren Mutter und als ich mit der Bloggerei anfing, war ich auf meinem Gebiet so ziemlich alleine hier. Trotzdem war das hier kein Erziehungsratgeber. Im Laufe der Jahre sind immer mehr dazu gekommen, geblieben und auch wieder gegangen, diverse Booms inbegriffen. Und heute, heute schreibt jede Fashionbloggerin (mit Blog egal worüber) zu ihrem Fashionblog noch ein weiteres über´s Baby, vorher natürlich neun Monate gebührend angemeldet, damit es auch wirklich ALLE wissen und beim Babygeschenkekaufrausch beteiligen können.
Kurz: Heute kann jeder Meldung machen. Jeder kann seine Meinung und seine Erfahrungen (böser gesagt: Einzelschicksale) in die Welt hinausposaunen und womöglich den ein oder anderen Streit auslösen, aber auf jeden Fall ganz easy frische Eltern total verunsichern. Meine Freunde die jetzt erst so langsam alle Kinder kriegen, Bloggerkolleginnen mit Frischlingen, sie alle haben eines gemeinsam: Sie sind so unglaublich unsicher wie nie und vertrauen kaum mehr auf sich selbst oder auf das, was ihnen ihr Herz mitteilt, sondern vielmehr hören sie auf ihre Umwelt als auf die eigene Intuition. Denn ich muss doch auch das machen, was alle anderen machen…
Die Zeitschrift Eltern hat 2015 etwa 700 Eltern befragt, wovon sie sich am meisten unter Druck gesetzt fühlen. 50% der Mütter nennen ihre eigenen Ansprüche, gefolgt von den gesellschaftlichen Normen (41%). Ausserdem sind 54% der Mütter und 56% der Väter gelegentlich unzufrieden mit sich selbst als Eltern (92% der Kinder finden übrigens, dass ihre Eltern die besten sind, die sie sich vorstellen können – liebe Eltern, eure Kinder finden euch super! Seid ihr doch auch!).
60% der Eltern sagen, die Erwartungen und Anforderungen seien heute höher und sie sagen ausserdem: soziale Netzwerke tragen nicht zur Erleichterung des Lebens als Eltern bei (Väter: 39%, Mütter: 34%). Es ist insgesamt aus der Umfrage deutlich rauszulesen, dass sich die meisten Eltern den Druck selbst auferlegen, warum denn nur?
Ich hätte maximal auf meine Mutter gehört und das auch nur mit Zähneknirschen. Mir war das ziemlich schnuppe, was andere mir für Ratschläge geben wollten. Ich schätze, auf meinem Kopf befand sich ein extrem großes Schild: Verpiss dich. Ganz ohne Zettel und Stift und sharing in den sozialen Medien…
Durchaus hat das bedeutet: Ich bin angeeckt. Oft. Mütter als Freunde? Hatte ich erstmal keine, aber dafür hatte ich ja weiterhin alle meine kinderlosen Freunde – was ich auch heute noch als gut befunden habe, weil sich so nicht jedes Gespräch um vollgeschissene Windeln oder „Mein Kind konnte schon mit x Monaten dies und das…und deins?“ drehte. Bei diesen Gesprächen muss ich mich heute noch zusammenreißen: Mensch super, später, beim Bewerbungsgespräch wird ihn/sie das ja ganz weit nach vorne bringen, wenn der Personaler ihn fragen wird: Und wann haben Sie sich zum ersten Mal gedreht? Ich schweife ab…
Lieber keine „Muttis“ als Freunde, als ein Baby, das sich von niemandem anfassen oder ins Bett bringen lässt ausser mir weil „Ach, sie hat jetzt so eine Phase (seit zwei Jahren) und mag das nicht so, auf dem Arm von anderen.“. Ich erinnere mich noch heute an die Blicke und Sprüche wie „Du bist aber mutig, dass du dein Kind von einem Mann betreuen lässt“, als ich erzählt habe: Mein (einjähriges) Kind ist bei einem Kerl zur Betreuung, quasi männliche Tagesmutter, sie darf auch schon schaukeln, ohne dass er sie festhält. Nen großen Hund hat er übrigens auch.
Anstatt zu machen wird heute A L L E S ausdiskutiert. Überall wird diskutiert und polarisiert „Reisen mit Baby, ja“ und „Reisen mit Baby, nein“. Stillen? Aber nein/ja! Arbeiten? Aber nein/ja! Wirkliche Hilfe? Wirkliche Unterstützung? Die gibt´s definitiv nur, wenn ich meinen Rechner ausschalte und mich … nun ja, nicht beeinflussen lasse. Gehirn wieder klar.
Wir reden heute über nackte Kinderpopos am See, über gute und böse Kekse, über vegane Ernährung, ob arbeiten gut oder schlecht ist und Vereinbarkeit von Beruf und Familie, spielen Mutter-Bullshit-Spielplatz-Kita-Einschlaf-Bingo und natürlich sammeln wir in allen Kategorien 7 bis 12 Dinge die Eltern ….
MAN! Ich langweile mich zu Tode. Ehrlich! Warum verlasst ihr tollen Mütter da draussen nicht endlich wieder mehr auf euch selbst. Auf eure Intuition. Jede Einzelne da draussen ist stark, hübsch und hat einiges auf dem Kasten. Und jede Mutter muss ihren eigenen Weg gehen (und ihn auch erst einmal finden dürfen!) und nicht den, der ihr vorgeschlagen wird. Wie vermessen ist es denn bitte, sich hinzustellen und zu sagen: Du bist eine schlechte Mutter, weil du nicht stillst? Kinder werden groß, das lässt sich nicht vermeiden. Und je entspannter ihr seid, je mehr ihr euch selbst treu bleibt, desto entspannter bleiben/werden/sind auch eure Kinder, weil es euch ja gut geht, wenn ihr seid, wer ihr nun mal so seid.